… Leben hinterlässt Flecken, Staub und Dreck, es beinhaltet Falten, Tränensäcke und Pickel, verschmierte Schminke, schlecht sitzende Kleidung, Laufmaschen und dicke Bäuche …

Rekonstruktionen: "Finales Zimmer der Dolores" 2017"Das Zimmer der Dolores" 2014"Das Zimmer der Dolores" 2008"Das Zimmer der Dolores" 2004"Das Zimmer der Dolores" 2003

Das Zimmer der Dolores - Die Story

1997 lernte ich einen Menschen kennen, der, so erzählte er mir, mehrere Mietshäuser im Rhein-Main Gebiet besitzt. Wir tauschten uns über Mieter aus. Der Mann erzählte mir von einer Mieterin, die er niemals zu Gesicht bekommen habe. Telefonisch und per E - Mail wurde der Mietvertrag für ein Zimmer abgeschlossen, die Schlüssel zum Zimmer wurden per Postweg übersandt. Die Kaution kam als Scheck ebenfalls per Post und der Mietzins wurde regelmäßig bar eingezahlt. Die Mieterin habe ihr Zimmer irgendwann gekündigt, per E Mail, die Schlüssel wurden postalisch zurückgesandt. Der Vermieter erzählte weiter, dass seine Mieterin die Kaution nicht zurückverlangt habe, das machte ihn stutzig.
Er sei daraufhin in das Zimmer gegangen und fand es so vor, als sei die Frau nur kurz weg. Kleidungsstücke, Bücher, Essensreste, alle möglichen Dinge hatte die Frau vor Ort gelassen. Dieser Anblick habe ihn berührt, er sei neugierig geworden und habe angefangen sich alles genau anzusehen, immer mit der Furcht von der Mieterin überrascht zu werden. Sie sei aber nicht gekommen, an jenem Tag nicht, auch an den vielen folgenden Tagen nicht, an denen er sich genauestens in dem Zimmer umsah, sogar an der Unterwäsche roch, wie er sagte. Er habe Handschriftliches gefunden, Tagebucheinträge, manche geschrieben, manche als Mundabdruck mit Datum. Es sei alles ganz persönlich gewesen und langsam habe er sich vorgestellt, wie seine Mieterin gelebt haben könnte. Er fing an nach ihr zu suchen, ihr Name sei Dolores. Er fand keine Hinweise auf eine Dolores, bis er auf die Idee kam, über das Internet zu recherchieren, er bekam Antworten und Fragen, aber nicht von Dolores, sondern ebenfalls von Menschen, bei denen Dolores gelebt hatte und die ebenfalls nach ihr suchten.
Man habe sich dann, unter Vermietern, getroffen und gemeinsam angefangen das progressive Dolores Archiv aufzubauen. Das Archiv stellt mir der Mann zur Verfügung. Nicht nur das, auch die Kontaktadressen, den Pool, sodass ich, ein - bis zweimal im Jahr einen neuen "Koffer" von Dolores erhalte.

Die Vorstellung über sie bündelt sich kontinuierlich, bildet aber kein einheitliches Bild. Die Person bleibt unbekannt, trotz größter Nähe.

Vorgehensweise
Investigative Recherche anhand der von ihr hinterlassenen Zeichen. Dolores entsteht durch den Blick in einen Spiegel. Das Abbild eines Abbildes. Abwesenheit und ihre Folgen.
Das rekonstruierte Zimmer der Dolores ist ein öffentlich zugängliches Zimmer, vielleicht nur eine Nische.

Finales Zimmer der Dolores - 2017

"Das Zimmer Dolores" - Rekonstruktion -V- 2017

Seit einigen Jahren habe ich keine Nachrichten und keinen Koffer über "Dolores" erhalten. Vor einigen Monaten allerdings erhielt ich eine Nachricht mit dem Betreff: "Die tote Dolores".
Die Rekonstruktion des Zimmers der Dolores - "Finale - Das letzte Zimmer der Dolores".
Wie die Person selbst bleibt auch der Nachrichtensender unbekannt.

Ich bekam eine Mail mit folgendem Inhalt:

Die Mail

Seit kurzem bin ich Inhaber eines Gartengrundstückes im Randgebiet einer größeren Stadt. Die Gartenfläche ist recht groß und völlig überwuchert. Mitten im Gestrüpp steht ein Container, den ich aber nur selten aufsuche. Der Container ist offen und so hat er wohl einige Zeit als Unterkunft gedient, was ich allerdings erst nach Erwerb des Gartens bemerkte. Ich habe mich nicht weiter darum gekümmert, weil ich selbst keine Verwendung im Sinn hatte und mich erst in einigen Monaten mit dem Garten beschäftigen wollte. Nachbarn in unmittelbarer Umgebung gibt es nicht. Ich habe die Sache also wieder Vergessen bis ich kürzlich vor Ort war um das Gelände zu Inspizieren, den Container wie einige andere unnütze Gegenstände wollte ich entfernen lassen. Ich beschäftigte mich damit das Gestrüpp zu beseitigen als mir langsam und immer unmittelbarer ein üblicher Gestank in die Nase kam. Ich näherte mich dem Container und mir wurde klar, dass der Geruch aus dem Container kam. Ich dachte an ein totes Tier und darum ging ich hin. Mir verschlug es den Atem, so etwas entsetzliches hatte ich noch nie gesehen, unter einer dünnen Decke sah ich einen Menschen liegen… Ich alarmierte die Polizei…

Beschreibung:
Im Container fand ich einige Dinge. Neben einer Papier- und Plastikunterlage, die als Matratze diente lagen in einem alten Aktenkoffer einige Kleidungsstücke – dünne Strümpfe und ein Halstuch. Auf einer Kiste lag ein beschriebener Zettel. Ein kleiner Spiegel und so etwas wie Schmuckstücke lagen neben einem Schlafsack. An einer Seite des Containers häufte sich Unrat an, Flaschen, Dosen, Speisereste, eine abgebrannte Kerze, ein alter Waschlappen und direkt daneben Kot.
Der Anblick war zum Aufschreien. Nicht aus Angst, sondern aus Wehmut, aus Beschämung. Hier hat ein Mensch versucht zu leben und hat es nicht geschafft. In welchem Zustand war die Person. Warum hat sie sich aufgegeben? Hat dieser Mensch sich denn aufgegeben? Wie lange lebte die Person hier? Wer war sie? ... Unter der dünnen, verschmierten Decke ragt eine Hand hervor, zur Kralle gekrümmt, das Gesicht nur halb bedeckt…

Die Polizei gibt zu protokoll, dass es sich um eine weibliche Person namens T. A. Dolores handelt. Sie habe einige Tage tot hier gelegen. Meine Frage nach Papieren wird mir nicht beantwortet. Weiter erfahre ich nichts, T. A. Dolores, vielleicht Theres Anett?
Nach einigen Tagen Namensrecherche bin ich auf den Pool "Dolores" gestoßen. Kann es sein, dass die Personen identisch sind? Gibt es die Person überhaupt, die über den Pool beschrieben wird? Wie konnte es zu einem solchen Absturz kommen?

Detailansichten Finale Dolores 2017

Das Zimmer der Dolores im "Hirondelle" 2014

"Das Zimmer der Dolores"

Dolores ein Synonym. Der Blick in einen Spiegel. Das Abbild eines Abbildes. Abwesenheit und ihre Folgen. Die Person bleibt unbekannt trotz größter Nähe.

Investigatives Kunstprojekt.

 

 

 

Rekonstruktion IV im "Hirondelle" von Mi. 05. 11. bis 30.11. 2014.
Das Zimmer der Dolores 2014, eine Rekonstruktion der Wohn – und Lebenssituation.

Basis für die Rekonstruktion der Wohn- und Lebenssituation von "Dolores" im Jahr 2014 sind mehrere Zusendungen aus dem Pool. Einige handgeschriebene Notizen, ein kurzer Brief (eher eine Tagebuchnotiz), und die Beschreibung eines Vermieters (Wirtes) eines von Dolores bewohnten Zimmers, von 2013 bilden den"Sockel" für die Rekonstruktion.

Personenstatus:
Auch der "Koffer 2013" ergibt kein Bild von dem Menschen Dolores. Lediglich Lebenspassagen können dargestellt werden. "Dolores" bleibt eine Fremde, eine Verlorene, Unsichtbare, nicht fassbare Person. Sie hinterlässt Spuren, die auf einen zerrissenen inneren Zustand hinweisen (nach unseren Maßstäben). Ihre Logis waren Notunterkünfte, kleine Zimmer ohne jeglichen Komfort. Oder sie begnügte sich damit geschützte Orte im Stadtraum zu nutzen.

Nach wie vor bestimmt der "leere Spiegel" die Situation von Dolores.

Der Brief

Zusendung 2 (Rekonstruktions Vorlage) Zuschrift über den Pool "Dolores" am 07. November 2013

Sehr geehrte Frau Heier,
hiermit erlaube ich mir auf Empfehlung von Herrn Ebenhohl, Ihnen die folgende Beschreibung über eine meiner Mieterinnen zu schicken.
Ende April kontaktierte mich eine Frau per Mail mit der Frage nach einem Zimmer im Haus 13, in Essen (Markscheide 16, Essen- Altendorf).
Ich konnte Ihr eine bescheidene 1 Zimmerwohnung anbieten. Die Dame nannte sich Frau Dolores M..
Der "Briefwechsel" war normal und sachlich. Ich schickte Ihr einen Fragebogen, den Sie mir ausgefüllt zurück sandte. Frau Dolores überwies die von mir geforderte Kaution. Den Schlüssel schickte ich ihr postlagernd. Am 15. Mai 2013 konnte Frau Dolores die Wohnung beziehen. Die Mieten gingen bis einschließlich August pünktlich ein. Im September und Oktober blieb die Miete aus. Auf Briefe und Mails reagierte Frau Dolores nicht, weshalb ich mich zu einem persönlichen Besuch entschied.
Die Mieterin war nicht anwesend. Ich öffnete die Wohnungstür mit einem Ersatzschlüssel. Die Wohnung war bis auf wenige Gegenstände und Müll ausgeräumt.
Eigentlich sah es nicht mal so aus als wäre sie jemals mit Möbeln bestückt gewesen. Eine Matratze bildete den Mittelpunkt des Zimmers, wie eine Insel lag sie da. Nicht bezogen, fleckig. Eine dünne "verschossene" Decke lag zerknüllt halb auf der Matratze, ein Kissen, nicht bezogen und stark vergilbt lag am Ende des Bettes. Davor lagen einige Dinge. Umgefallene Flaschen, Unterwäsche, eine Bürste und ein zerbrochener Handspiegel.
Ein Pappkarton stand an der Wand und diente wohl als Tisch oder Ablage. Darauf befanden sich einige Zettel mit Notizen, eine Scheibe verschimmeltes Brot und eine Tasse mit einem Rest Flüssigkeit (wahrscheinlich Tee) neben der Tasse lag in einer kleinen Schale ein alter Teebeutel.
Eine weitere Kiste, aus Holzlatten, wurde anscheinend als Kochtisch verwendet. Dort standen ein Tauchsieder und eine Kanne. Daneben war ein Korb mit angefaultem Obst. In dem Zimmer standen an der Wand noch 2 Bücher und einige alte Zeitungen, aus dem Jahr 2012, halb zerrissen.
Es gab keine weiteren Gegenstände. Am Boden lagen noch einige Kleidungsstücke, wie ein Pullover und eine Strumpfhose, die kaputt war. Ein sehr stark verschmutzter Schuh lag in der Nähe der Wohnungstür. In einer Nische im Zimmer war ein Wasseranschluss mit Wasserbecken, über dem ein Spiegel hing. Der war mit cremiger Farbe beschrieben, oder besser gesagt bemalt. Man schaute sozusagen in eine Fratze hinein. An der Tür hingen an einem Haken ein Mäntelchen, eine Mütze und eine Stofftasche. Im Flur der Wohnung hing an der Wand, grob mit Tesa angeheftet ein Fotomotiv – eine betende Madonna mit einer Rose im Hintergrund.
Die Wohnung roch süßlich und war stark verstaubt. Der Boden war verschmutzt (Flecken). Das Fenster war verschlossen und mit einem Stoff halb zugezogen.

Die Wohnung wird mit einem Ölofen beheizt. Die Wohnung verfügt nicht über sanitäre Anlage, dazu muss man in den Flur gehen und sich das Klo mit anderen Bewohnern der Etage teilen. Im Briefkasten, der nicht verschlossen werden konnte und aufgebogen war, lag der Wohnungsschlüssel.

Ich habe die wenigen Dinge bis auf die Zeitungen aufgehoben – man hätte es direkt in den Müll werfen sollen, aber ein Impuls hielt mich zurück. Von diesen wenigen Sachen gingen eine Geschichte, eine Wehmut und eine tiefe Traurigkeit aus, ich konnte sie einfach nicht entsorgen.

Innerhalb der nächsten Zeit habe ich bei einem Eigentümertreffen diese Geschichte erzählt und wenige Tage später erhielt ich einen Anruf von Herrn Ebenhohl der den sogenannten Pool der Dolores seit einigen Jahren pflegt.
Herr Ebenhohl bat mich, die Reste der Mieterin an Ihn zu schicken. Und es war weniger als ein Koffer voll.
Herr Ebenhohl erzählte mir in diesem Zusammenhang über den Kontakt mit Ihnen. Ja, ob es wohl zu einem Ergebnis kommen wird? Ob es eine Erklärung geben kann? Gibt es diese Person denn wirklich? Was hat die Frau zu einem solchen Leben gebracht? Ist Sie eine Suchende, ist Sie ein Gewissen? Ist Sie unser Verlust?

Ich zweifel daran, dass eine künstlerische Auswertung oder, wie Sie es nennen, eine Rekonstruktion dazu führt dieser Frau näher zu kommen. Aber, eine bessere Idee habe ich auch nicht. Es kostet ja auch nichts, Ihnen die Dinge im Koffer zu schicken. Ich bleibe an dem Pool dran und werde mir regelmäßig Neuigkeiten kommen lassen, eventuell wird die Frau ja doch mal in Person erscheinen.

Vielen Dank, es grüßt Sie P. Erossa.

Ansichten aus dem "Zimmer der Dolores" 2014

Ein Blick

Details

Das Zimmer der Dolores 2013

Anonyme Zusendung an den Pool "Dolores"

27. Februar 2013 - 7:16h - Bamberg

Winterstimmung. Morgendlicher Gang zur Bahn. Schaue wie immer durch meinen inneren Tunnel. Den Ort wechseln. Brauche eine neue Umgebung. Trist und kalt ist es hier. Misstrauen um mich.
„Sieht aus, wie eine die keinen Spiegel hat“, höre ich hinter mir sagen.
Habe schlechte Wochen hinter mir. Habe mich letztes Jahr in Ffm. aufgehalten, werde dort wahrscheinlich wieder hingehen. Ein Zimmer mieten, habe etwas gespart. Muss mich ausruhen, in einen warmen, trockenen Raum.
Hotel? Pension? Werde mich auf dem Wohnungsmarkt umsehen. Bin hier in der Gegend seit Dezember, es ist schlimm, erniedrigend wie sich die Menschen verhalten, wenn sie selbst wenig Auswahl haben oder keine Abwechslung, Zerstreuung. Jeder versteckt sich vor sich selbst. Kein Blick in den Spiegel. Keine innere Annäherung. Befremdung vor dem eigenen Selbst.

Hoffe aus dieser nebligen Sicht heraus zu kommen.

Habe mein Bett fotografiert. So habe ich in den letzten Wochen gelebt.

Gez.:eine Wanderin

Das Zimmer der Dolores 2012 - Der Brief -

"Sehr geehrte Frau Heier,
als Hausbesitzer, Vermieter, und Geländeverwalter bin ich über Umwege auf den Informationspool "Dolores" getroffen. Die Beschreibungen der Person haben mich zutiefst berührt, nicht aus Voyeurismus, nicht aus falscher Anteilnahme, sondern weil ich auf einem meiner Grundstücke, übrigens mitten in Frankfurt am Main, auf eine Wohnstätte, ich möchte es sogar ein Zimmer nennen, gestoßen bin.
Bei einem meiner Rundgänge über ein etwas abseits und in der Nähe der Bahn liegendes Gelände schaute ich, wie gewöhnlich, auch zwischen Sträuchern und Gebüsch nach wilden Müllhaufen und fand ein, ja, ein Zimmer.
Ein Bett, mit geblümter Decke und dekoriertem Kissenstoff, ein Tischchen und eine Art Schrank (einige Äste, die miteinander verbunden wurden und mit Folie umspannt waren). Ebenso war eine Nische für Lebensmittel, die in Tüten an Ästen hingen vorhanden.
Auf einer Kiste lagen verschiedene Kosmetikutensilien. Ich durchsuchte den Schrank und fand Frauenkleider. Strümpfe, Unterwäsche, Hosen und Röcke. Die Auswahl der Garderobe war nicht groß aber kombinierbar und alles passte farblich zueinander. Auch verschiedene Schuhe fand ich. Größe 39.
Im ersten Moment konnte ich meine Wut und Empörung über die wilde Nutzung meines Geländes nicht unterdrücken, fast hätte ich alles in einen großen Müllsack gestopft, oder wenigsten die Polizei gerufen. Aber etwas hielt mich davon ab. Ich versuchte die Spuren meiner Untersuchung, zu bereinigen. Ich fotografierte das Zimmer mit meinem Mobiltelefon und ging. Einige Tage hat mich diese Entdeckung nicht in Ruhe gelassen, so ging ich wieder an den Ort, in der Hoffnung die dort lebende Person anzutreffen.
Hier entsteht eine große Leere – der Ort war verlassen, außer einigen Kleinigkeiten, darunter ein Kajalstift und eine Bluse, sowie einen Zustellungsbescheid auf dem lediglich noch ein Vorname zu lesen war, war das Zimmer nicht mehr vorhanden.
Dolores stand auf dem Bescheid – auf diesem Wege bin ich übrigens an den Pool geraten. Über den Namen.
Nun, nach ca. 8 Wochen sende ich Ihnen, verehrte Frau Heier, die Fotos mit der Bitte diese dem Archiv der Dolores beizufügen.
Mit herzlichen Grüßen
Otto Jedefahl."

Das Zimmer der Dolores - der Bericht 2010

Vor einigen Wochen wurden mir Fotos und einige schriftliche Aufzeichnungen überbracht.

Einer Notiz konnte ich entnehmen, dass die Fotos die Unterkunft einer Frau dokumentieren.

Allem Anschein nach, so geht aus dem Bericht hervor, handelt es sich um eine Frau namens Dolores.

Sie habe Anfang 2010 in der Nähe von Mainz, in einem Vorstadtgebiet ihre Unterkunft aufgeschlagen.
Spaziergänger meldeten die "wilde" Wohnstätte den Behörden, die ihrerseits versuchten die Person anzutreffen, ohne Erfolg.

Es habe Beschwerden über den üblen Geruch und die Verrohung des Stadtteils gegeben, die Bürger fanden Unrat und Abfall rund um das Wohnlager.
Eine Bürgerinitiative entschied sich die Stätte abzubauen, dazu drangen sie in den kleinen improvisierten Raum ein.
Vorgefunden wurde eine beängstigende Atmosphäre. Ein Durcheinander von Schlafsack, Kleidungsstücken, Abfällen und eine Stelle, an der die Person ihre Notdurft verrichtet hatte.

Mit Mundschutz versehen wurden die vielen Pappkartonreste und Kleidungsfetzen in Mülltüten gestopft und vernichtet.

Die Bretterbude wurde abgerissen und entsorgt. Die Person, die Frau die dort lebte, hat keiner zu Gesicht bekommen.

Neues von Dolores 2009

Bericht

Nach dem Brief von 2007 und dem Koffer von 2006, ist Stille eingetreten. Nichts Neues von Dolores. Ihr Aufenthaltsort ist nicht bekannt geworden.
Allerdings hat sich vor kurzem ein Herr bei mir gemeldet. Er habe zu Anfang diesen Jahres vor einem Wohnhaus in Esslingen ein Paar Schuhe gefunden, die, so habe er beobachtet, eine Frau mittleren Alters sorgsam auf das Trottoir gestellt habe. Diese Frau sei an diesem Tag mehrmals vor dem Paar Schuhe stehen geblieben und habe sehr nachdenklich gewirkt.

Von dieser Frau sei eine seltsame, für ihn nicht zu beschreibende Ausstrahlung ausgegangen.
Am folgenden Tag, die Schuhe standen genauso, wie die Frau sie hingestellt hatte, habe er den Hausmeister des Gebäudes befragt. Dieser habe erzählt, eine Frau namens Dolores habe ihre Kammer verlassen, leer sei der Raum, am Türrahmen habe eine Geldnote, der Schlüssel und ein Zettel mit den Zeilen: "Leben sie Wohl, vielen Dank für alles", gesteckt.
Er habe ein Foto von den Schuhen zur Erinnerung an diese Frau geschossen und wolle mir dieses Bild für das Dolores-Archiv, von dem er erfahren habe, überlassen.

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Das Zimmer der Dolores 2008

Anonym erhielt ich vor einiger Zeit ein Paket mit Brief, Fotos und einer Beschreibung zu Dolores.
Dolores hat sich von März bis Mai 2006 in Hamburg aufgehalten. Dort hat sie sich ein Zimmer gemietet. Sie hat das Zimmer ohne Möbel, Heizung und Bad gemietet. Sie hat das Zimmer mit einer Matratze, einem Stuhl und einem Teppich eingerichtet.

Der Brief
Von Nachbarn konnte ich nichts Relevantes über Dolores erfahren. Sie ist eine stille, unauffällige Mieterin. Man hört und sieht sie nicht. Gelegentlich kann man riechen, dass sie kürzlich durch den Korridor gegangen ist, - süßes Parfum. Eine Unsichtbare…
Ich habe mit ihr telefoniert. Sie hat eine reife, klare Stimme. Sehr charmant im Gesprächsumgang - man scherzt unwillkürlich, und natürlich, in eine solche Frau, Imagination ist alles, habe ich mich sofort verliebt. Sie ist gewandt, vertrauensvoll, verbindlich. Sie spricht mit einem wundervollen Singsang, zuordnen kann man ihr Idiom allerdings nicht - akzentfrei, vielleicht rollt sie das R, leichtes Lispeln, kein Verwischen der Silben. Ich kann wirklich nicht sagen, aus welcher Region sie stammt.
Als ich dann die Wohnung betreten habe, nachdem sie mir den Schlüssel geschickt hat, stieg langsam ein bedrückendes Gefühl in mir hoch. Verlassenheit, Rohheit, Aggression. Das ist beängstigend und so schwer zu erklären. Dann kommen die Eindrücke - abgestandener Geruch, Fäulnis. Es ist nicht Verwahrlosung, nein, - es ist lieblich und abstoßend gleichermaßen. Man erkennt einen Menschen - und sofort ist er wieder verwischt, es macht mich ganz traurig, und unruhig.
Nein, der Spiegel wird blind. Dolores hat kein Gesicht.
Ich übersende ihnen den "Koffer" in der Hoffnung, dass sie irgendwann ein Gesicht zu Dolores finden.

Beschreibung

Zimmer ca. 17m²
Der Beschreibung nach hat Dolores das Zimmer in schlechtem Zustand hinterlassen:
Auf dem Boden liegt ein farbiger Teppich mit Flecken. Neben der Matratze liegt eine bestickte runde Tischdecke, darauf steht eine Kerze, eine Vase mit vertrockneten Blumen und ein Teller mit Essensresten, Obst und altes Brot. Das Essen ist vertrocknet und verfault. Auf dem eher schmutzigen Boden liegt eine Spielkarte, ein Stück Schnürsenkel und ein Häufchen Kleider. Auf der Matratze liegen ein vergilbtes Laken und eine Wolldecke, die einen Slip halb verdeckt. An der Wand steht ein Pappkarton. Darauf stapeln sich einige Zeitschriften, eine Packung Haarfärbemittel, eine Haarbürste mit Haaren, eine Fingernagelfeile und ein Roman. Auf dem Teppich befinden sich zerknüllte Zettel, eine Tasse, eine Teedose und ein Radiogerät. Am Bettrand liegen einige Pillen (Medikament) und eine zerbrochene, ausgelaufene Weinflasche. Über dem Stuhl hängt ein Frottétuch. An dem Fenster hängt eine verschlissene Gardine. An der Wand sind zwei Kleiderhaken befestigt, an einem hängt ein Jackett, in dessen Taschen Krumen sind, eine Taschennaht ist aufgerissen. An dem Anderen hängt eine rötliche Damenhandtasche, darin befinden sich Mascara, eine Puderdose und ein Taschenrechner. An der Zimmerwand sind einige Kritzeleien. In dem Papierkorb liegt ein Foto mit der Abbildung eines Gebäudes. In dem Zimmer riecht es abgestanden und muffig, es ist feucht.

Bestandsliste

1 Matratze, 1 Stuhl. 1 Pappkarton. 1 farbiger Teppich, fleckig. 1 kleine runde, bestickte Tischdecke. 1 Kerze. 1 Vase mit vertrockneten Blumen. 1 Teller mit Essensresten. 1 altes Laken. 1 Wolldecke, löchrig. 1 Slip. 1 Packung Haarfärbemittel. 1 Haarbürste mit Haaren. 1 Fingernagelfeile/ Papier. 1 Roman. 1 Kleid. 1 Wasserkocher. 1 Tasse. 1 Radiogerät. zerknüllte Zettel. 1 zerbrochene, ausgelaufene Weinflasche. 1 Frottétuch. 1 Gardine. 1 Damenhandtasche. 1 alte Mascara. 1 Puderdose. 1 Taschenrechner. 1 Papierkorb.
1 Foto eines Gebäudes. 1 Spielekarte/ Joker. Pillen/Medikament. Stück Schnürsenkel.

Details 2008

Das Zimmer der Dolores - Rekonstruktion II 2004

DAS ZIMMER DER DOLORES REKONSTRUKTION - II - IMPLUS Obertshausen März 2004.

Einführung von Cordula Fröhlich
Die Frankfurter Künstlerin Cornelia Heier präsentiert im März 2004 eine Rauminstallation in der temporären Ausstellungshalle IMPLUS. Bei dieser Location handelt es sich um einen ehemaligen Supermarkt in Obertshausen (bei Offenbach), der von dem Verein Kult für ein zeitlich begrenztes Kulturprojekt angemietet wurde. Der Raum wird im Bereich der bildenden und darstellenden Kunst sowie Musik und Literatur von Künstlern aus der Region bespielt.
Cornelia Heier ist mit ihrer Arbeit das Zimmer der Dolores vertreten.
2003 rekonstruierte die Künstlerin in ihrem offenen Interimsatelier in Frankfurt das Zimmer, von dem ihr 1997 erzählt wurde, erstmalig.

Im vergangenen Jahr soll Dolores in einem Teil möblierten Zimmer in Düsseldorf gelebt haben. Auf diesen Lebensabschnitt bezieht sich die Rekonstruktion in Obertshausen. Neben kleineren Möbeln steht ein Bett im Mittelpunkt der Installation. Dinge des täglichen Lebens bzw. sehr persönliche, intime Utensilien eines Menschen, vermutlich einer Frau namens Dolores, sind im Raum verteilt. In einer aufwendigen Rekonstruktion, mit Liebe zum Detail, schafft Cornelia Heier ein Bild der Unbekannten. Unwillkürlich versucht der Betrachter, die einzelnen Hinterlassenschaften einer Persönlichkeit, einem Charakter zuzuordnen. Die Annäherung an die Rauminstallation erfolgt auf verschiedenen Ebenen. Schon aus der Ferne, auch als Passant, erhält man durch das Schaufenster des ehemaligen Plusmarktes Einblick auf das rekonstruierte Zimmer. Der voyeuristische Aspekt des Kunstkonzepts von Cornelia Heier wird dadurch betont. Schon in diesem ersten Moment werden Fragen nach der Person, die das Zimmer bewohnt aufgeworfen. Mit dieser Neugier des Betrachters spielt die Künstlerin, indem sie zum Beispiel Gegenstände, die gleichzeitig anziehend und abstoßend wirken können, sorgfältig drapiert. So liegen zum Teil benutzte Dessous und Kosmetikutensilien im Raum verstreut. Als Blickfang führen diese Objekte zu den ersten Spekulationen über Dolores. Ist sie eine Prostituierte, eine Geliebte oder wurde sie vergewaltigt? Ist sie eine eilige Geschäftsfrau, eine Künstlerin oder ein Transvestit. Hat sie die Wohnung übereilt verlassen oder hat sie nur unbrauchbare Dinge zurückgelassen? Folgt sie einem Beruf oder einer Berufung? Wird sie von Zwängen oder von Leidenschaft getrieben? War sie in Zeitnot, auf der Flucht oder wurde sie bedroht, war sie gar eingesperrt?
Hier schließt sich die Frage an, ob sich noch eine weitere Person in diesem Zimmer aufgehalten hat. Auch dafür gibt es Hinweise: 2 Gläser benutzte Kondome, ein Liebesbrief, der hinterlassen und zerrissen wurde (von wem?). Hier geht es nicht nur um die Auseinandersetzung mit einer Raumsituation, sondern um ein menschliches Verlangen, mit detektivischen Spürsinn eine unbekannte Person und ihre Lebensgewohnheiten kennenzulernen.
Ein weiterer Aspekt dieser Installation ist das Vanitasthema.
So findet man verfaultes Obst, teilweise leere Trinkgefäße, verschlissene und verschmutze Laken und Kleidungsstücke. Der Zustand der Verlassenheit ist präsent. Diese Verlassenheit impliziert auch Trauer. Zurückgelassene Tagebuchblätter lassen auf den ersten Blick vermuten, dass dem Bewohner etwas zugestoßen ist. Waren die Tagebucheinträge unwichtig, wurden sie weggeworfen und von einem Fremden wieder hervorgeholt? Wurden sie vergessen? In welchem körperlichen und geistigen Zustand befand sich Dolores beim Verlassen des Zimmers?
Fragen über Fragen, die durch das Arrangement der Objekte aufgeworfen werden. Man versucht sich einer imaginären Person, von der man weiß, dass sie sich Dolores nennt, anzunähern. Die umliegenden Gegenstände informieren über Charaktereigenschaften und Seelenzustände, über das Alter und die Herkunft lässt sich nur spekulieren. Ein einzelner Schuh und eine Sonnenbrille aus den 70er Jahren lässt als Trägerin eine modebewusste 20-jährige genauso zu, wie eine abgetakelte Fünfzigerin, die Relikte ihrer Jugend zurücklässt. Auch das Kruzifix spielt eine Rolle, denn es ist bereits in der ersten Rekonstruktion aufgetaucht und lässt auf eine religiöse, ev. südeuropäische Herkunft schließen. Hinweise über den Verbleib von Dolores gibt es aber nicht. Mit der Rekonstruktion III werden wir mehr erfahren.
Bei allen Spekulationen ist aber eines sicher: Das Zimmer der Dolores berührt durch die Konfrontation sehr intimer Hinterlassenschaften. Es weckt Neugierde und man wird sicherlich auch durch den Geruch, der von einem Parfum, verwesendem Obst und Neigen erzeugt wird, hineingetragen in eine andere Welt, die Welt von Dolores. Es entsteht eine Nähe, die außergewöhnlich vielleicht sogar beängstigend ist, da es nicht der sozialen Norm entspricht, in diese intime Privatsphäre einer fremden Person einzutauchen.
Cornelia Heier beschäftigt sich in ihren Arbeiten gerne mit den unsichtbaren Dingen des Lebens. Objekte und Menschen, die uns umgeben, aber hinter der Fassade des schönen Scheins unbemerkt bleiben. "Leben hinterlässt Flecken, Staub und Dreck, es beinhaltet Falten, Tränensäcke und Pickel, verschmierte Schminke, schlecht sitzende Kleidung, Laufmaschen und dicke Bäuche", sagt die Künstlerin. Gerade mit dieser in der Installation gezeigten Intimität, die jeder kennt, aber keiner einer Öffentlichkeit preisgeben möchte, weckt Cornelia Heier die Neugierde des Betrachters. Sie blickt im wahrsten Sinne hinter die Fassade eines Mietshauses, in ein Zimmer, in dem man die Reste einer Maske in Form von Kosmetika und Kleidung findet. Überbleibsel eines Menschen, der offensichtlich in diesem Raum gelebt hat. Gerade die Abwesenheit weckt unser Interesse an der Person. Sie bleibt durch ihre Hinterlassenschaften präsent - sie lebt weiter in unseren Gedanken und unsere Fantasie, Dolores wird zu einer Ikone.

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Das Zimmer der Dolores - Rekonstruktion I 2003

Zimmer ca. 18 m²

Dolores scheint das Zimmer übereilt verlassen zu haben. Das Zimmer wirkt vernachlässigt, es ist schmutzig. Die Bettdecken sind mit verschlissenem, verschmutztem Satin bezogen. Die Laken sind zerwühlt, auf der Matratze liegen Tagebuchblätter und abgebrochene Fingernägel. In dem Zimmer riecht es abgestanden, eine Birne verfault auf dem Fensterbrett. Dessous liegen auf dem Boden, über dem Stuhl und im Bett. Ein wenig Schminkzeug und Watte liegen vor dem Spiegel. Dolores hat weder Schuhe noch andere Oberbekleidung im Zimmer hinterlassen. Über ihren Verbleib gibt es keine Notiz.
Das Tagebuchheft ist 2002 datiert, die Tagebuchblätter sind aktuellen Datums.

Bestandsliste Februar 2003
2 Fenster, 1Bett + Bettwäsche, 1Stuhl, 1gekreuzigter Jesus hängend, 1Flasche Schnaps, 1Handspiegel, 1Schminktasche, 1Mascara, 1Lippenstift, 10 falsche Fingernägel, mehrere benutzte und unbenutzte Präservative, 2 Gläser, 4 Bücher, 1 Nachttischlampe, 1Strumpfhalter, Damenstrümpfe, Slips benutzt, Büstenhalter, Stifte, Tagebuchblätter, 1Birne, 1Bluse, 1Portraitabbildung.